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AIDS 2022 – Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

Vom 29. Juli bis 2. August 2022 fand wieder die Internationale Welt Aids Konferenz statt. Dieses Jahr in Montréal (Québec, Kanada).

Mehr als 9.500 Menschen haben sich für die Konferenz angemeldet, davon nahmen rund 2.000 Menschen, von überall auf der Welt, online an AIDS 2022 teil.

Auch eines unserer Vorstandsmitglieder, Christoph Schaal-Breite, konnte dank eines Scholarships des Veranstalters, der IAS (International AIDS Society), online (neben seiner aktuell laufenden Reha) an der Konferenz teilnehmen. Organisatorisch natürlich nicht ganz so einfach, liegt Montréal doch 6 Stunden „hinter uns“, aber was tut mensch nicht fürs Ehrenamt.

LOVE – HONOUR – RESPECT; das war eines der Schlagwörter bei der Eröffnung der Konferenz. Ein gut klingender Vorsatz für eine Konferenz die Aktivist*innen mit Politiker*innen und Wissenschaft zusammen bringen soll, jedoch mit uns nicht resonieren konnte. Die Probleme, welche die Konferenz hatte, waren dazu zu vielfältig und auf verschiedenen Ebenen.

Systematische Ausgrenzung der wichtigsten HIV-Stimmen

Direkt bei der Eröffnungsveranstaltung der Konferenz kam es zur Demonstartion von Aktivist*innen aus dem globalen Süden, welche auf Ausgrenzung und nicht Beachtung hinwiesen.

So wurden Visa von Aktivist*innen aus dem globalen Süden mit der Begründung abgelehnt, dass die kanadischen Behörden nicht davon überzeugt waren, dass die Aktivst*innen nach der Konferenz wieder in ihre Heimatländer reisen würden. Andere Aktivist*innen wiederum bekamen gar keine Begründungen, sondern nur Ablehnungsbescheide zu ihren Visaanträgen. Diese systematische Ausgrenzung trifft dabei den wichtigsten Teil der HIV-Community, denn allein in den afrikanischen Ländern leben zwei Drittel der Menschen die mit HIV leben.
Weiterhin wiesen die Aktivist*innen auf Unterfinanzierung von HIV/AIDS-Programmen hin und welche Auswirkungen dies in ihren Communities hat. Denn, was sich im ersten Augenblick für uns im globalen Norden vielleicht nicht ganz so schlimm anhört, bedeutet für andere schlicht den Tod!
Die Botschaft der Demonstrant*innen ist klar: „Die Aids-Krise ist nicht vorbei.“ – „Wacht auf! Unsere Leute sterben“.

Das in diesem Zusammenhang dann außerdem noch keine wirkliche Repräsentanz von der kanadischen Regierungen an der Eröffnungsveranstaltung teilnahm, auch nicht in Teilen, spricht Bände und zeigt die offensichtliche Ignoranz der Politik.

Probleme werden benannt, aber keine Lösungen präsentiert

Auf der Konferenz selbst wurde dann reichlich diskutiert und sich ausgetauscht, insbesondere in den Veranstaltungen in denen es um die Community und Stigmatisierung ging, jedoch blieben Lösungsansätze aus.

Immer wieder ging es darum, dass Menschen mit HIV diskriminiert und stigmatisiert werden. Es wurden Ergebnisse vorgestellt, wo es wie zu Stigmatisierung kommt und es wurde festgehalten, dass bereits marginalisierte Menschengruppen noch einmal besonders unter Diskriminierung und Stigmatisierung leiden. Dabei wurde immer wieder auf den Stigma-Index verwiesen.

Probleme, die uns seit Jahren bewusst sind, um die wir wissen, wurden untermauert. Aber wo ist der Ausweg aus der Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit HIV?

Christoph Schaal-Breite

Ebenso ging es auch immer wieder um die „HIV-response“, was frei übersetzt etwa das Ende der HIV-Pandemie bedeutet. Ein Ausweg aus der Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV, Ideen der Entkriminalisierung, Lösungswege; das fehlte. Wo sind die Lösungen für HIV-positive Menschen, das Beenden von Diskriminierung und Stigmatisierung und die Abschaffung der Kriminalisierung von Menschen mit HIV?

Ein spezifisches Besipiel in diesem Zusammenhang sind die Ziele der UNAIDS Fast Track Cities. Immer wieder wurden die Zahlen 90-90-90 (= 90% der Menschen mit HIV wissen von ihrer Infektion / 90% dieser Menschen sind in medizinischer Behandlung / 90% davon sind unter der Nachweisgrenze) betont. Aber nicht einmal wurde auf die 0 bezüglich der Diskriminierung eingegangen – was (in unseren Augen) Voraussetzung zum Erreichen der anderen Ziele und für das Beenden der HIV-Pandemie ist.

Korrekt muss es also 0-90-90-90 heißen. Nur wenn wir die Angst vor einem positiven HIV-Test nehmen, sowie endlich die Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit HIV beenden, nur dann können wir das Ziel 0-90-90-90 auch Weltweit erreichen.

Das schlussendliche Gefühl welches diese Konferenz nachschwingen ließ war das eines Akademiker*innentreffens mit der Community in der Statist*innenrolle. Zu wenig gab es ein gemeinsames miteinander um Lösungen zu finden und zu viel wurde auf wissenschaftliche Ergebnisse geschaut.

Wege zu einer besseren Welt Aids Konferenz

Wie könnten wir von diesem Gefühl der Statist*innenrolle für die Community wegkommen?

Ein erster wichtiger Schritt wäre es, die Welt Aids Konferenzen in Zukunft nicht mehr in Ländern stattfindet zu lassen, in der Aktivist*innen aus dem globalen Süden, nur aufgrund ihrer Herkunft, die Einreise verweigert wird. Die Repräsentant*innen von zwei Dritteln der Menschen mit HIV müssen anwesend sein, Punkt. Ohne sie darf sich eine Welt Aids Konferenz nicht als Welt Aids Konferenz bezeichnen.

Ebenso muss die Konferenz sich dahingehend Wandeln der HIV Community das größte Sprachrohr zu geben um deren Bedürfnisse zu hören und auf diese einzugehen. Wissenschaft und Forschung sind essenziell für die Bekämpfung der HIV-Pandemie, ja, aber ohne eine Community die hinter der Wissenschaft steht werden wir das Ende der HIV-Pandemie nicht erreichen.

Eine Welt Aids Konferenz funktioniert nur mit der Community und nicht ohne diese!